Geschichte der Botschaft

Estlands Botschaft in Tiergarten, in der Hildebrandstraße 5, ist die zweitälteste Botschaft in Berlin.  Seit 1920 ist das Haus in estnischem Besitz, erworben ein Jahr nach der Schweizerischen Botschaft.  Das Haus ist ein wichtiges Beispiel der Berliner Baugeschichte und steht unter Denkmalschutz.

Auf dem Gebiet zwischen dem Südrand des Tiergartens und dem Landwehrkanal ist vor ca. 200 Jahren die erste Berliner Villenkolonie entstanden, in der sich auch mehrere unter den Berlinern populäre Ausflugslokale befanden. Der Schokoladenfabrikant, Konditor und Hoflieferant Theodor Hildebrand, dessen Namen heute die Straße trägt, erwarb 1852 auf diesem Gelände ein größeres Grundstück. Das Gebiet wurde in kleinere Grundstücke geteilt, und 1853 baute man die ersten Häuser, sowohl an der Stelle des heutigen Botschaftsgebäudes Hildebrandstr. 5 als auch südlich davon. 1870 erwarb der Hoflieferant Joseph A. Robrecht das Grundstück Hildebrandstr. 5 und ließ 1883 das Gebäude vergrößern.

1894 ging das Grundstück von Robrecht auf seine Tochter, Frau Hemptenmacher, über. Sie beauftragte 1895 die Architekten Reimarus & Hetzel, das Gebäude zu erweitern, wobei der ursprüngliche Bau abgerissen wurde. Das neue Haus ist in Hauptteilen bis heute erhalten geblieben, nur der Südteil, der heute an die Friedrich-Ebert-Stiftung grenzt, ist geändert worden. Es entstand ein neues und keinesfalls einheitliches Wohnhaus im historistischen Stil, das sich in vier Teile gliedert. Die Fassade wird durch horizontale Simse und Fugen geteilt, ebenso durch unterschiedliche Fensteröffnungen, die reichlich mit Stuck gerahmt sind. Am interessantesten ist zweifellos das Hochparterre über dem Sockelgeschoss mit seinen drei großen Räumen – dem Saal, dem Salon und dem Musikzimmer – und dem Speisezimmer neben dem Salon. Die Decken der genannten Räume sind mit Stuckdekor verziert (Rosetten u.a.) und bemalt. Die restlichen Räume im Haus sind schlichter gestaltet.

Das Jahr 1918 brachte in Deutschland viele Veränderungen mit sich, unter anderem konnten viele frühere Eigentümer ihre großen Villen nicht mehr halten. So ging es auch mit dem Haus Hildebrandstr. 5 – 1920 verkaufte Frau Hemptenmacher es dem estnischen Konsul Voldemar Puhk, als Privatperson, da in den Anfangsjahren der Republik Estland dafür das Geld fehlte.  Eigentümer wurde die „Republik Eesti“ und erst Jahre später wurde Puhk für seine Ausgaben kompensiert. Am 15. Mai 1920 nahm in dem Gebäude die Gesandtschaft Estlands ihre Tätigkeit auf. Dazu wurde das Haus umgestaltet. Das Konsulat wurde in den oberen Stockwerken eingerichtet und die restlichen Räume wurden zu Wohn- und repräsentativen Zwecken verwendet.

Weitere Veränderungen fanden 1940 statt – im August wurde die Gesandtschaft der Sowjetunion übergeben. Da im darauffolgenden Jahr der Krieg zwischen Deutschland und der Sowjetunion ausbrach, zog das deutsche Auswärtige Amt in das Gebäude ein. Das Haus wurde zu einem Dienstgebäude umgebaut. Der Südflügel erhielt seine heutige Form, das früher offene zweistöckige Treppenhaus wurde geschlossen. Während des Krieges wurden fast alle Häuser in der Hildebrandstraße zerstört. Nur drei Gebäude blieben stehen, unter ihnen das Haus Nummer 5. Im Krieg wurden unter anderem auch die Gebäude der Vertretungen von Lettland und Litauen zerstört.

Nach dem Zweiten Weltkrieg lag der Bezirk Tiergarten im britischen Sektor. Großbritannien hatte die Besatzung Estlands durch die Sowjetunion nicht anerkannt. Den Eintrag im Grundbuch hatte niemand geändert und dort stand immer noch: Eigentümer der Liegenschaft Hildebrandstr. 5 ist Republik Eesti. Allerdings wurde das Haus nicht der estnischen Exilregierung übergeben, sondern unter Treuhandschaft gestellt.  Ein Rechtsanwalt wurde beauftragt, das Haus „während der Abwesenheit des Eigentümers“ als Mietshaus zu verwalten. Auf Grund niedriger Mieten sowie später der Nähe zur Berliner Mauer verfiel das Haus ständig.

Nach der deutschen Wiedervereinigung und der Wiederherstellung der Selbständigkeit Estlands trat eine Wende ein. Die Republik Estland wurde als Eigentümer der Liegenschaft anerkannt mit allen Rechten und Verpflichtungen, die sich daraus ergeben. Nach langen Vorbereitungen wurde im August 2000 mit dem Umbau begonnen, seit dem 1. Juni 2001 befinden sich in dem Gebäude die Büro- und Repräsentationsräume der Botschaft der Republik Estland sowie Wohnungen. Zuletzt wurde das Haus 2016-2017 gründlich renoviert.

Quellen:

  • Mündliche und schriftliche Erinnerungen von ehemaligen Mitarbeitern der Botschaft (Oskar Öpik, Evald Uustalu, Tamara Kask).
  • Hartmut Kurschat, Thomas Krebs: „Bauhistorische Studie über Haus und Grundstück Hildebrandstr. 5 in Berlin-Tiergarten, Gutachten im Auftrage der Bauausstellung Berlin 1984“, Berlin 1988.
  • Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes.
  • Eero Medijäinen, „Saadiku saatus“, Tallinn, 1997.

 

Die estnische Vertretung in Berlin in der Hildebrandstraße 5. Foto: Estnisches Nationalarchiv

Die estnische Vertretung in Berlin in der Hildebrandstraße 5.
Foto: Estnisches Nationalarchiv